Samstag, 26. Januar 2013

Geschlechtsunterschiede in der Entwicklung des moralischen Urteils, Lawrence J. Walker



Geschlechtsunterschiede in der Entwicklung des moralischen Urteils (S. 109-120)
Lawrence J. Walker

Literaturüberblick bezogen auf alle Studien , die unter Verwendung von Kohlbergs Messverfahren Geschlechtsunterschiede in der Entwicklung des moralischen Urteils prüfen. Untersuchungen, die sich des DIT (Defining Issues Test, Komponentenmodell der moralischen Entwicklung) bedienen, seien schon von  James Rest (1979) zusammengefasst worden und allesamt zu dem Ergebnis gekommen, dass sich keine signifikanten Geschlechterdifferenzen ergeben. Der DIT wird auch Neo-Kohlbergianisch genannt, weil er Kognition, persönliches Konstruieren moralischer Perspektiven, moralische Entwicklung und postkonventionelles Moraldenken fokussiert.

Das File-Drawer-Problem, welches Rosenthal 1979 beschrieb, kommt in der Forschung um moralische Entwicklung mit Bezug auf die Geschlechterdifferenz wohl häufig zum Tragen:
Daten werden aufgrund fehlender statistischer Signifikanz nicht publiziert und bleiben in der Schublade. Hieraus ergibt sich, dass die meisten Forscher, die nichts über Geschlechterdifferenzen berichteten, möglicherweise keine Unterschiede festgestellt haben.

Drei Lebensphasen wurden in der Forschung unterschieden: a) Kindheit und Frühadoleszenz, b)Spätadoleszenz und Jugendalter, c) Erwachsenenalter.

a) Kindheit und Frühadoleszenz: Es lagen 31 Untersuchungen mit insgesamt 2.879 Versuchspersonen dieser Altersgruppe vor. Es stellte sich heraus, das Geschlechtsunterschiede in moralischen Urteilen in diesem Lebensabschnitt selten sind. Nur 5 von 41 Stichproben liefern signifikante Ergebnisse im Bezug auf die Unterschiede; wenn Unterschiede vorkommen, beziehen sie sich auf eine reifere Entwicklung der Mädchen.

b) Spätadoleszenz  und Jugendalter: Es lagen 35 Untersuchungen mit insgesamt 3.901 Versuchspersonen vor, wobei es sich überwiegend um Oberschüler und Studenten handelte. Lediglich in 7 von 46 Stichproben zeigten sich Geschlechtsunterschiede, die auf eine reifere Entwicklung der Männer um etwa 1/2 Stufe hindeuten.

c) Erwachsenenalter: Es lagen 13 Untersuchungen mit insgesamt 1.223 Versuchspersonen vor. Geschlechtsunterschiede zeigten sich hier geringfügig häufiger als in den vorangegangen Lebensabschnitten. In 21 Stichproben fanden sich 4 signifikante Unterschiede, die sämtlich zugunsten der Männer lagen.

Hierzu ist anzumerken, dass es aufgrund der vorliegenden Daten unmöglich ist, entwicklungsbedingte und Kohorten-Unterschiede zu trennen - daher könnten Geschlechtsunterschiede auch nur in dieser Generation häufiger sein als in der späteren.
Hinzu kommt, dass die Variable Geschlecht oft mit Unterschieden im Bildungsgrad und/oder Berufsposition konfuierte. Waren Männer und Frauen hinsichtlich Bildung und beruflicher Stellung vergleichbar, waren Geschlechtsunterschiede im moralischen Urteilen nicht nachweisbar.

=> Es besteht direkte Evidenz für den Zusammenhang zwischen einer Vielzahl sozialer Erfahrungen (z.B. Familiendiskussionen, Bildung, Beruf, politische und soziale Betätigung) und moralischer Entwicklung.

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